Eltern unter Strom: Wenn der Alltag an der Seele nagt

Fast 40 Prozent der Mütter und Väter im Dauerstress – Ein Drittel reagiert depressiv

Hannover, 9. Dezember 2019 – Ärger mit den Kindern, Haushalt, Papierkram, Überlastung im Job, finanzielle Engpässe, Konflikte mit dem Partner – alles zu viel: Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH Kaufmännische Krankenkasse stehen fast 40 Prozent der Eltern sehr häufig bis häufig unter Stress. Schuld daran sind vor allem die hohen Ansprüche an sich selbst: Das sagt die Hälfte der befragten Mütter und Väter. Schließlich will man als Eltern, als Partner und im Beruf gleichermaßen perfekt sein. Rund jeder Fünfte findet allerdings, dass der Druck, besonders gut sein zu müssen, aus der Gesellschaft kommt.

 

Ob selbst gemacht oder auferlegt: Die größten Stressfaktoren für Mütter und Väter sind die Erziehung und Betreuung der Kinder (insgesamt 41 Prozent) sowie der Stress im Job (40 Prozent). Für knapp ein Drittel ist die Belastung im Haushalt zu hoch. Die größte Herausforderung ist es, Familie, Haushalt und Beruf unter einen Hut zu bekommen. Kein Wunder, denn anhaltender Dauerstress in Familien hängt häufig mit der zunehmenden Berufstätigkeit beider Partner zusammen. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes von 2018 sind mittlerweile bis zu 85 Prozent der Väter und bis zu 75 Prozent der Mütter mit Kindern unter 18 Jahre in Voll- oder Teilzeit berufstätig.

 

Job, Haushalt und Kinder verlangen gleichermaßen die volle Aufmerksamkeit und Leistungsbereitschaft der Eltern. Hinzu kommt der selbstauferlegte Perfektionismus. Das hat Folgen – unter anderem für die psychische Gesundheit: Eine Datenanalyse der KKH zeigt, dass die Fehlzeiten im Job aufgrund psychischer Erkrankungen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen sind – von durchschnittlich 35,4 Tagen im Jahr 2015 auf 39,1 Tage im vergangenen Jahr. In der Umfrage sagten darüber hinaus knapp ein Drittel der stark gestressten Eltern, dass sie wegen des hohen Drucks schon einmal niedergeschlagen beziehungsweise sogar depressiv waren.

Bevor es zu schwerwiegenden psychischen Erkrankungen kommt, macht sich der Stress zunächst im Verhalten und körperlich bemerkbar: extreme Anspannung, niedrige Frustrationsgrenze, Ungeduld, Schlafmangel, Schmerzen. Laut Umfrage stehen Erschöpfung und Burnout klar an erster Stelle: 79 Prozent der dauergestressten Eltern gaben an, unter Druck darunter zu leiden. 77 Prozent nannten Nervosität und Gereiztheit und 75 Prozent Müdigkeit oder Schlafstörungen als Folgen von Stress. Jeweils knapp die Hälfte hat darüber hinaus mit Kopf- bzw. Rückenschmerzen zu kämpfen und 29 Prozent der stark gestressten Eltern schlägt der Druck auf den Magen. Gut zwei Drittel der Mütter und Väter gaben außerdem an, sich bei Stress mindestens hin und wieder schlecht konzentrieren zu können. Rund jeder Zweite sagte, unter Druck schnell aggressiv zu reagieren. Ebenfalls die Hälfte erklärte, in Stresssituationen hin und wieder traurig zu sein oder sich zurückzuziehen.

 

Wege aus der Stressfalle
Um sich aus der Stressfalle zu befreien, hätten Eltern vor allem eines gern: mehr Zeit. Drei Viertel von ihnen denken, dass sie weniger gestresst wären, wenn sie ausreichend Raum für sich selbst hätten. Fast ebenso viele wünschen sich mehr Zeit mit der Familie. Auch das Verlangen nach innerer Gelassenheit (72 Prozent) steht bei den Müttern und Vätern ganz hoch im Kurs. Gut die Hälfte wünscht sich zusätzliche finanzielle Unterstützung wie ein höheres Kindergeld, und bei knapp jedem Zweiten trügen flexiblere Arbeitszeiten oder Homeoffice zum Stressabbau bei. 42 Prozent der Befragten hätten darüber hinaus gern mehr Unterstützung im Haushalt.

 

Der Expertentipp
Diese Wünsche zeigen: Das Leben zwischen Familie und Job ist anspruchsvoll, die Sehnsucht nach Entspannung groß. Doch viele Aufgaben lassen sich nicht streichen oder reduzieren. „Deshalb ist eine positive Einstellung entscheidend“, sagt Jana Acker, KKH-Expertin für Psychologie und Stressreduktion – und zwar nicht nur im Job, sondern auf allen Ebenen. „Konzentrieren Sie sich darauf, wie Sie die positiven ­Effekte von Stress nutzen können.“ Denn Stressereignisse bringen auch immer einen Lern­effekt für das nächste Mal mit sich. „Wer die Kon­trolle über eine Situation gewinnen kann, reduziert langfristig auch den Druck“, erläutert Acker. So rät die Expertin beispielsweise, nicht mit dem Partner auf Konfrontation zu gehen, wenn alles rund um Haushalt und Kinder wieder einmal an einem selbst hängen bleibt. Besser sei es, auf eine entspannte Atmosphäre zu warten und dann konkrete Wünsche zu äußern, was der Partner künftig übernehmen kann. „Im besten Fall haben Sie sich vorher untereinander abgestimmt, wie Sie sich im Streitfall verhalten und festgelegt, wann und wo Sie am besten diskutieren können. Organisieren Sie in akuter Hektik lieber eine Putzhilfe oder Fahrgemeinschaften zu den Terminen der Kinder.“

 

Ganz wichtig sei es außerdem, Prioritäten zu setzen, rät Acker: Niemand könne abends gleichzeitig mit den Kindern etwas unternehmen, mit dem Partner allein sein, Freunde treffen und Sport treiben. „Planen Sie beispielsweise einen Abend pro Woche mit ihrem Partner und alle zwei Wochen ein festes Treffen mit Freunden ein.“ Bezüglich des Jobs rät die Expertin Eltern, über das Arbeiten von zu Hause aus nachzudenken, wenn es der Beruf erlaubt. Möglicherweise lässt sich auch mit dem Arbeitgeber über flexiblere und familienfreundlichere Arbeitszeiten verhandeln.

 

https://www.kkh.de/presse/pressemeldungen/eltern-unter-strom--wenn-der-alltag-an-der-seele-nagt

 

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- https://www.zdf.de/nachrichten/heute/umfrage-staendige-erreichbarkeit-setzt-eltern-unter-stress-100.html

- https://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/umfrage-staendige-erreichbarkeit-setzt-eltern-unter-stress-16526272.html

- https://www.fr.de/panorama/umfrage-staendige-erreichbarkeit-setzt-eltern-unter-stress-zr-13281403.html